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dpa-AFX: ROUNDUP: Gutachten zum Mobilfunkmarkt ist Ballast für kleine Wettbewerber

BONN (dpa-AFX) - Im Wettbewerb mit den großen deutschen Handynetzbetreibern
bekommen kleine Konkurrenten Gegenwind. Die Bundesnetzagentur veröffentlichte am
Dienstag in Bonn ein Gutachten, demzufolge es einen wirksamen Wettbewerb am
Markt gibt. Hätte sich das Gegenteil herausgestellt, wäre das ein starkes
Argument für eine "Diensteanbieterverpflichtung" gewesen. Bei so einer Pflicht
müssten die Netzbetreiber Kapazitäten an die kleinen Firmen vermieten, die kein
eigenes Netz haben und relativ billige Tarife anbieten. Aus Sicht von
Verbraucherschützern sind solche Unternehmen wichtig für ein gutes
Preis-Leistungs-Verhältnis und für den Wettbewerb.

Die Behörde will im Frühjahr festlegen, wie Handynetz-Frequenzen vergeben
werden und dabei Leitplanken für die künftige Qualität des Handynetzes
einschlagen. In einem Nebenstrang dieses Regelwerks wird die Frage der
Diensteanbieterverpflichtung geklärt. Freenet und andere Firmen
pochen auf so eine Vorschrift, damit sie einen angemessenen Zugriff auf den
Technologiestandard 5G bekommen.

Kleine Konkurrenten sehen sich benachteiligt

Bisher bieten sie den Technologiestandard 5G nur eingeschränkt an, was sie
am Markt unter Druck setzt. Aus ihrer Sicht wäre die Verpflichtung nötig, um
ihre Position bei Verhandlungen mit den Netzbetreibern zu stärken. So eine
Pflicht gab es bis 2020. Seither gilt nur ein "Verhandlungsgebot" - die
Unternehmen müssen also miteinander sprechen, einen Vertrag müssen sie aber
nicht abschließen. Nach Lesart von Freenet & Co ist das ein stumpfes und
ziemlich nutzloses Schwert. Die Netzbetreiber sehen das ganz anders: Sie
argumentieren, dass sie durchaus 5G-Kapazitäten vermieten wollen oder schon tun,
dies aber nur zu vernünftigen Konditionen.

Tatsächlich gibt es inzwischen 5G-Tarife von Billiganbietern, allerdings
teilweise mit einer Deckelung auf 50 Megabit pro Sekunde. Der Mehrwert von 5G
wird dadurch wesentlich abgeschwächt.

Relativ teurer deutscher Handymarkt

Dem Gutachten zufolge sind Mobilfunkdienste für "Vielnutzer" in Deutschland
teurer als im EU-Schnitt, die Preise sinken aber. Am Vorleistungsmarkt - gemeint
sind die Netzkapazitäten, die von den kleinen Firmen gemietet werden - findet
sich den Gutachtern zufolge kein Beleg für eine Abschottung des Marktes durch
die Netzbetreiber. Alles in allem zeige sich, "dass sowohl auf dem Endkunden-
als auch auf dem Vorleistungsmarkt wirksamer Wettbewerb herrscht und keine
Anzeichen für eine zukünftige Verschlechterung der Wettbewerbsverhältnisse zu
Lasten der Endkunden vorliegen".

Eine der Mobilfunkfirmen ohne eigenes Netz ist EWE Tel. Firmenchef Norbert
Westfal moniert, dass die Gutachter die falschen Schlüsse zögen. "Richtig ist,
dass es schon jetzt keinen richtigen Wettbewerb gibt und die
Mobilfunknetzbetreiber es in der Hand haben, ihn zukünftig noch weiter
einzuschränken", sagte der Manager. "Das Recht öffentliche Frequenzen zu nutzen,
darf daher nicht missbraucht werden, um den Wettbewerb im gesamten
Telekommunikationsmarkt massiv einzuschränken." Freenet zweifelt die
Aussagekraft der Studie an.

Jens-Uwe Theumer vom Preisvergleichsportal Verivox ist ebenfalls für die
Regelung. "Damit die marktbeherrschende Stellung der Netzbetreiber nicht zur
Benachteiligung der Kunden führt, bräuchten kleine, netzunabhängige Anbieter
einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Netzen - auch zu 5G."

Behördenentscheidung steht noch aus

Entschieden ist die Sache noch nicht, die Bundesnetzagentur ist nicht
gebunden an die Erkenntnisse der Studie der Beratungsunternehmen WIK und EY.
Allerdings will Behördenchef Klaus Müller die Ergebnisse des Gutachtens bei der
anstehenden Entscheidung im Frequenzverfahren "berücksichtigen", wie er es
formuliert. Zugleich betont er, dass die Wettbewerbsförderung ein wichtiges Ziel
der Frequenzregulierung sei.

Die großen Netzbetreiber reagieren erleichtert auf das vermutlich
wegweisende Gutachten. "Ein 5G-Zugangszwang zu festgeschriebenen Ramsch-Preisen
würde den fairen Wettbewerb und vor allem den Netzausbau ausbremsen", sagt
Vodafone -Deutschlandchef Philippe Rogge. Dadurch würde Geld
umverteilt "weg von jenen, die sie zum Schließen von Funklöchern benötigen, hin
zu denen, die ihre eigenen Gewinne ohne großen Aufwand weiter maximieren
wollen", warnt er.

Ampel-Vertreter sind unterschiedlicher Meinung

In der Bundespolitik gibt es unterschiedliche Sichtweisen auf die
Diensteanbieterverpflichtung. Die Liberalen sehen sie grundsätzlich positiv, um
den Wettbewerb zu stärken. "Die Bundesnetzagentur sollte genau prüfen, ob die
Argumente des Gutachtens stichhaltig sind", sagt der FDP-Bundestagsabgeordnete
Reinhard Houben. Unter Umständen könnte es doch sinnvoll sein, so eine
Vorschrift einzuführen.

Auch die Grünen sind für das Instrument zur Wettbewerbsförderung. Es gebe
"eine mangelnde Dynamik auf dem deutschen Mobilfunkmarkt", sagt der
Grünen-Bundestagsabgeordnete Maik Außendorf. Die Konkurrenz zu den
Netzbetreibern hätte "in der Vergangenheit zu einem hohen Wettbewerbsdruck im
Mobilfunkmarkt und in der Folge zu sinkenden Preisen geführt" - dies sollte auch
künftig so sein. "Ohne eine Verpflichtung werden die Wettbewerber der
Netzbetreiber kaum in der Lage sein, ihren Kunden eigene 5G-Angebote zu
unterbreiten."

Der SPD-Abgeordnete Johannes Schätzl ist anderer Ansicht als seine
Parlamentskollegen aus den anderen beiden Ampelfraktionen. Er weist darauf hin,
dass eine Diensteanbieterverpflichtung "nur bei einem erheblichen Marktversagen"
zu rechtfertigen wäre. Nach Sichtung der Studie sei das nicht gegeben. Die
Telekommunikationsunternehmen sollten in den nächsten Jahre massiv in den Ausbau
der Infrastruktur investieren, hierbei dürfe so eine Vorschrift kein Bremsklotz
sein. Es sei aber vorstellbar, die bisherige Regelung "um einzelne Instrumente
ohne Preisvorgaben zu erweitern"./wdw/DP/jha

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