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dpa-AFX: ROUNDUP: Chemiebranche sieht nach Krisenjahr erste Zeichen für Erholung

FRANKFURT (dpa-AFX) - Die krisengeplagte Chemieindustrie sieht nach
schwachen Geschäften 2023 keine rasche Trendwende, aber zarte Anzeichen einer
Erholung. Nach der langen Dürrephase, in der die Chemie inmitten der
Energiekrise kräftige Produktionsverluste erlitt, keime erste Hoffnung auf,
sagte Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen
Industrie (VCI), in Frankfurt. "Seit Februar berichten einzelne Unternehmen von
einer leicht verbesserten Auftragslage - vor allem im Ausland." So ruhen die
Hoffnungen auf den USA und China. Es handle sich aber um einzelne Lichtblicke,
betonte Große Entrup. Eine Erholung erwarte man frühestens im zweiten Halbjahr.

Insgesamt bleibe das Fahrwasser für die Chemie- und Pharmabranche rau,
betonte der Verband. Deutschlands drittgrößte Industriebranche nach dem Auto-
und Maschinenbau erwartet, dass der Umsatz in diesem Jahr bei fallenden Preisen
um 3,5 Prozent sinkt. Zugleich soll die Produktion in etwa stagnieren, wie der
VCI mitteilte.

"Nicht nur die chemisch-pharmazeutische Industrie, sondern die gesamte
heimische Wirtschaft leidet weiterhin unter der schleppenden Konjunktur und den
strukturellen Problemen", stellte Große Entrup fest. Wegen der Wirtschaftsflaute
fehle es weiter an Aufträgen von Industriekunden.

Vorkrisenniveau weit entfernt - aber erste Lichtblicke

Im vergangenen Jahr sank der Umsatz der Chemie- und Pharmabranche gemessen
am Vorjahr um gut 12 Prozent auf 229,3 Milliarden Euro. Die Produktion
schrumpfte bei schwacher Auslastung um 7,9 Prozent und in der Chemie allein um
über 10 Prozent. Das Vorkrisenniveau von 2021 wurde insgesamt um fast 15 Prozent
verfehlt.

Zum Jahresende gab es insgesamt weitere Rückgänge, aber auch ein wenig
Hoffnung. Die Produktion der Chemie allein betrachtet wuchs im vierten Quartal
leicht um 1,2 Prozent zum Vorjahreszeitraum. Die Beschäftigung blieb trotz des
Gegenwinds stabil bei rund 477 000 Menschen in Deutschland - im Jahr 2020 lag
sie noch bei rund 464 000.

Ifo-Institut sieht Hoffnung auf Ende der Talsohle

Auch das Münchner Ifo-Institut sah zuletzt etwas Hoffnung für die gebeutelte
Branche. Demnach verbesserte sich das Geschäftsklima in der Chemie im Februar
auf niedrigem Niveau leicht. "Das Klima in der deutschen Chemie ist zwar immer
noch rau, es gab aber auch einige überraschende Lichtblicke", sagte
Ifo-Branchenexpertin Anna Wolf.

Erstmals seit fast zwei Jahren sei die Nachfrage nach Chemieerzeugnissen
gestiegen und es gebe mehr Aufträge als im Vormonat, so das Ifo-Institut. Die
Unternehmen hätten im Februar die Produktion ausgeweitet, erste Firmen sähen von
weiteren Preissenkungen ab. "Diese Ergebnisse zusammen mit der Normalisierung
bei den Strom- und Gaspreisen wecken die Hoffnung auf ein baldiges Ende der
Talsohle", sagte Wolf.

Die Chemiebranche erlebt wegen des Anstiegs der Energiepreise im Zuge des
Ukraine-Kriegs und der schwachen Konjunktur eine tiefe Krise. In der
Pharmaindustrie wiederum ist der Boom um Impfstoffe in der Coronapandemie
abgeebbt.

Während die Gaspreise wieder deutlich gefallen sind, leidet gerade die
energieintensive Chemieindustrie unter im internationalen Vergleich hohen
Strompreisen. Während industrielle Großkunden in Deutschland laut VCI zuletzt
bei knapp 16 Cent je Kilowattstunde zahlten, habe die Konkurrenz in den USA rund
4,4 Cent aufwenden müssen. Die relativ teure Energie trifft aber nicht alle
Firmen gleich: Während laut VCI-Angaben 2023 etwa die Hälfte der Unternehmen
stagnierende oder deutlich steigende Gewinne verzeichnet habe, verbuchte die
andere Hälfte deutliche Rückgänge oder sogar Verluste.

Konzerne streichen Stellen

Auf das raue Umfeld haben einige Schwergewichte bereits reagiert. Der
Branchenprimus BASF baut Tausende Stellen ab, legt
energieintensive Anlagen im Stammwerk Ludwigshafen still und kündigte jüngst
dort weitere Einschnitte an. Bis Ende 2026 sollen am Hauptsitz zusätzlich
jährliche Kosten von einer Milliarde Euro gespart werden - verbunden mit einem
noch nicht bezifferten Jobabbau. Und der Essener Konzern Evonik
streicht im Zuge eines großen Verwaltungsumbaus weltweit bis zu 2000 Stellen,
davon rund 1500 in Deutschland.

Damit die Branche bei ihrer zarten Erholung wieder auf die Beine komme,
brauche sie sichere Rahmenbedingungen und Unterstützung der Politik, forderte
Große Entrup. Das Wachstumschancengesetz der Bundesregierung und der geplante
Bürokratieabbau reichten nicht aus. Er forderte weniger Regulierung, schnellere
Genehmigungen und Entlastung bei den Energiepreisen. "Wir brauchen massive
Entlastungen für die deutsche Wirtschaft."/als/mne/DP/stk

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