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dpa-AFX: Baywa r.e.: Bau von Ökostromanlagen dauert immer noch Jahre

MÜNCHEN (dpa-AFX) - Ungeachtet aller politischen Absichtserklärungen zur
Energiewende bleibt der Bau neuer Wind- und Solarkraftwerke nach Angaben eines
der führenden Unternehmen der Branche ein mühsamer Prozess von jahrelanger Dauer
- allerdings nicht nur in Deutschland. "Die erwartete Geschwindigkeit beim
Ausbau der erneuerbaren Energien passt mit der Realität leider noch nicht
zusammen", sagte Michael Kohn, Leiter der weltweiten Projektfinanzierung der
Baywa r.e. .

"Bei Solaranlagen vergehen von der Planung bis zum Bau oft bis zu fünf
Jahre. Windanlagen sind komplexer in der Genehmigung. Da kann es noch länger
dauern." Der Manager betonte jedoch, dass das auch für andere Länder gilt:
"Nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Märkten." Das Münchner Unternehmen
plant und baut mit weltweit 5400 Mitarbeitern international Wind- und
Solarparks.

Die Bundesregierung will 80 Prozent des deutschen Stromverbrauchs bis 2030
aus erneuerbaren Energien decken. Dass der Ausbau schneller voranschreiten
müsste, um dieses Ziel zu erreichen, ist in der Branche Konsens - ebenso, dass
die Bürokratie zu den Hemmschuhen zählt.

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, der Verband kommunaler
Unternehmen und die Unternehmensberatung Deloitte hatten im Herbst geschätzt,
dass sich die jährlichen Investitionen in die Energiewende bis 2030 im Vergleich
zu 2022 knapp verfünffachen müssten: von 22 Milliarden auf 100 Milliarden Euro.

Abgesehen vom Kapitalbedarf würde das auch Mehrarbeit für die Behörden
bedeuten. Doch diese sind nach Einschätzung der Baywa r.e. schon beim
derzeitigen Tempo an der Kapazitätsgrenze: "Das lässt sich nicht von jetzt auf
gleich beschleunigen und am Ausbaubedarf ausrichten, unter anderem wegen Mangels
an Personal in den Ämtern, die die Genehmigungen bearbeiten", sagte Kohn.

In Deutschland machten zudem Widersprüche und Klagen die Verfahren schwerer
und zeitlich wie inhaltlich unkalkulierbarer. Widerspruchs- und
Klagemöglichkeiten seien sehr wichtig, aber "sollten sich nach unserer
Auffassung auf die wichtigen und schützenswerten Bereiche beschränken", sagte
Kohn. "Wir sehen Klagen von Anwohnern, die legitime Anliegen haben, etwa was
Schall und Schattenwurf einer Windanlage betrifft." Diese Bedenken würden am
besten vorher im Dialog beziehungsweise im Rahmen des Genehmigungsverfahrens
ausgeräumt. "Es ist aber oft so, dass häufig um der Klage willen geklagt wird,
auch wenn es keine Erfolgsaussichten gibt. Eine Klage bedeutet meist eine
Verzögerung von bis zu mehreren Jahren."

Nächstes großes Hemmnis sei in vielen Märkten der Netzanschluss. "Da
entsteht häufig ein Flaschenhals bei der Verfügbarkeit von
Netzanschlusskapazitäten. Teilweise werden Anschlusspunkte zugewiesen, die viel
zu weit weg sind vom eigentlichen Projekt."

Einfachere Finanzierung

Die Finanzierung neuer Ökostromanlagen aber ist nach Kohns Worten in
Deutschland in der Regel jedoch weniger aufwändig als im Ausland: "Anstelle
eines umfangreichen externen Beratungsbedarfs - unter anderem rechtlich,
steuerlich, technisch, versicherungsrechtlich - wie im internationalen Umfeld
recht üblich, erfolgt die Projektprüfung in Deutschland in aller Regel innerhalb
der Bank ohne zu Hilfenahme externer Berater", sagte der Finanzierungsfachmann.
"Damit werden schon mal sehr zeitkritische und inhaltlich oft komplexe
Arbeitspakete verkürzt."

Die Baywa r.e. ist aus dem Ökostromgeschäft des ursprünglich im Agrarhandel
tätigen Baywa-Konzerns hervorgegangen und erwirtschaftete 2022 knapp 6,5
Milliarden Euro Umsatz. Die Zahlen für 2023 wird der Mutterkonzern Ende der
Woche veröffentlichen. "Im Moment haben wir es als Branche mit durchaus
angespannten Marktparametern zu tun, nach wie vor hohe Inflationsraten, hohe
Zinsen, hohe Investitionskosten und die eine oder andere Unsicherheit in den
Lieferketten", sagte Kohn. Banken und andere Investoren seien jedoch weiter
investitionsfreudig. "Insgesamt ist die Branche in Deutschland weiter auf
Wachstumskurs, und wir gehen aufgrund unserer gut gefüllten Projektpipeline sehr
zuversichtlich in die Zukunft."/cho/DP/zb

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