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dpa-AFX: ROUNDUP 2: 'Es reicht halt nicht' - Industrie unzufrieden mit der Ampel

(Neu: Details) HANNOVER (dpa-AFX) - Die deutsche Industrie sieht den Wirtschaftsstandort Deutschland in Gefahr und fordert deutliche Reformen. Was die Bundesregierung bisher getan habe, sei aller Ehren wert - "aber es reicht halt nicht", sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm... (Neu: Details)

HANNOVER (dpa-AFX) - Die deutsche Industrie sieht den Wirtschaftsstandort
Deutschland in Gefahr und fordert deutliche Reformen. Was die Bundesregierung
bisher getan habe, sei aller Ehren wert - "aber es reicht halt nicht", sagte der
Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm,
am Montag zum Auftakt der Hannover Messe. So lasse sich der Rückgang der
Industrieproduktion, der seit Jahren zu beobachten sei, nicht stoppen.

"Wir brauchen wettbewerbsfähige und langfristig planbare Energiepreise",
forderte Russwurm von der Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP. Zudem müssten
die Unternehmenssteuern gesenkt werden.

Bundeskanzler Olaf Scholz hatte am Vorabend erklärt, die Großhandelspreise
für Gas und Strom lägen mittlerweile auf dem Vorkrisenniveau oder sogar
darunter. Das gelte ganz besonders für energieintensive Unternehmen. Und auch
der Abstand zu den Energiepreisen in den USA und anderen energiereichen Ländern
liege inzwischen wieder auf einem Niveau, mit dem die Unternehmen "seit Jahren
und Jahrzehnten umgehen müssen", sagte der SPD-Politiker.

Industrie rechnet mit weiterem Rückgang

Nach Ansicht der Industrie reichen die vom Bund eingeleiteten Reformen wie
das Wachstumsförderungsgesetz und beim Bürokratieabbau jedoch bei Weitem nicht
aus. In diesem Jahr werde die deutsche Industrieproduktion erneut zurückgehen,
so der BDI, im Vergleich zu 2023 schätzungsweise um 1,5 Prozent. "Trotz
moderater Erholungsaussichten dürfen wir uns nichts vormachen: Insgesamt zeigen
die Produktionszahlen schon seit Jahren einen besorgniserregenden Abwärtstrend",
sagte Russwurm.

Zu der Frage, warum Scholz ein so ganz anders Bild zeichnete als er, sagte
Russwurm: "Der Kanzler beschreibt Input-Maßnahmen der Bundesregierung. Aber wir
als Unternehmen sind es gewohnt, zu schauen, was dabei rauskommt."

Auch der Präsident des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA),
Karl Haeusgen, forderte mehr Tempo. "Neue Investitionsvorhaben finden aktuell
vor allem im Ausland statt, etwa in den USA. Das wird, wenn wir dem nichts
entgegensetzen, zu einer anhaltenden Schwächung unserer Wirtschaft führen",
warnte Haeusgen.

KI und Wasserstoff sollen Produktion klimafreundlicher machen

Die Hannover Messe ist mit rund 4000 Ausstellern aus 60 Ländern und zuletzt
rund 130 000 Besuchern eine weltweit führende Industrieschau. Im Mittelpunkt
steht in diesem Jahr die Umstellung auf eine klimaschonendere Produktion. Die
Hoffnungen ruhen dabei insbesondere auf Künstlicher Intelligenz (KI) und
Wasserstoff als Energieträger. Zu sehen sind etwa Brennstoffzellen zur
Umwandlung von Wasserstoff in Strom und Kabelummantelungen auf der Basis von
Mais statt Plastik.

Kanzler Scholz sagte bei einem Rundgang, KI sei heute selbst in kleinsten
Produkten schon zu finden. Das helfe auch, weniger Ressourcen zu verbrauchen.
"Viele der Dinge, die wir heute gesehen haben, wären bei einer Einführung vor
fünf Jahren noch Science Fiction gewesen", ergänzte der Ministerpräsident des
Messe-Partnerlandes Norwegen, Jonas Gahr Støre.

Doch auch von den Ausstellern gab es Forderungen an den Kanzler. So betonte
der Sensorhersteller Pepperl und Fuchs, es brauche Augenmaß bei der Regulierung
von KI, wenn es um nicht personenbezogene Daten gehe. Der Energie-Systemanbieter
GP Joule warb dafür, die Elektrolyse zur Herstellung von Wasserstoff auch in
Deutschland anzusiedeln. Anderenfalls werde die Energiewende hierzulande auf
jeden Fall teurer. Als Abnehmer für grünen Wasserstoff steht unter anderem der
Stahlkonzern Salzgitter bereit, der bis 2033 seine Produktion komplett umstellen
will.

Ein Roboter hört nicht auf den Kanzler

Am Stand von Siemens erlebte der Kanzler zudem, dass das
Zusammenspiel von Mensch und KI manchmal noch ruckelt. Als er einen
Roboter-Greifarm per Sprachsteuerung beschleunigen sollte, sagte Scholz: "Können
wir das Tempo schneller machen? Schneller. Noch schneller." Doch es tat sich
zunächst - nichts. Erst nach einigen Wiederholungen wurde der Befehl umgesetzt.

Siemens-Vorstand Cedrik Neike nahm es mit Humor. "Es ist wie in der Politik.
Es dauert etwas länger, bis es klappt, aber wenn es klappt, klappt es richtig",
sagte Neike./fjo/DP/ngu

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