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dpa-AFX: ROUNDUP: Evotec verschreckt mit vorsichtigem Ausblick - Neuausrichtung geplant

HAMBURG (dpa-AFX) - Der Hamburger Pharmawirkstoffforscher und -entwickler
Evotec reagiert auf ein schwieriges Marktumfeld mit einer
Neuausrichtung. Nach dem überraschenden Abgang des Vorstandschefs Werner
Lahntaler zu Jahresbeginn soll der Fokus so wieder auf nachhaltig profitables
Wachstum gerichtet werden. Richten soll es der neue Konzernchef Christian
Wojczewski, der zur Jahresmitte antreten wird. Im vergangenen Jahr hatte der
Konzern zudem kräftige Blessuren durch eine Cyberattacke davongetragen. An der
Börse verschreckte der unsichere Geschäftsausblick die Anleger.

Der Aktienkurs brach zeitweise um mehr als ein Drittel auf den tiefsten
Stand mit seit 2017 ein. Am späten Vormittag waren die Papiere mit einem Minus
von noch 32 Prozent auf 19,65 Euro abgeschlagenen Schlusslicht im Index der
mittelgroßen Werte, dem MDax. 2024 steht nun ein Minus von fast 55 Prozent auf
dem Zettel.

Evotec plant bisher nicht näher genannte Anpassungen in der Größe und bei
den Standorten. So will der MDax-Konzern künftig weniger Geld in die eigene
Forschung stecken und sich stattdessen noch stärker auf Schlüsselkompetenzen wie
etwa das Biologika-Geschäft konzentrieren.

Evotec sprach in seiner Mitteilung zur Wochenmitte von einem
"herausfordernden Umfeld" und einer "sich verändernden Marktnachfrage". Hierauf
wolle der Konzern durch die Optimierung seiner Geschäfte reagieren. Auch die
bisherige Berichtsstruktur wird dazu gestrafft und überarbeitet: Künftig will
Evotec seine Zahlen getrennt nach der US-Tochter Just Evotec Biologics und dem
Segment "Shared R&D" ausweisen, das die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten mit
Partnern umfasst.

In der jüngeren Vergangenheit hatte Evotec unter anderem mit hohen Kosten
für den Aufbau zweier neuer Biologika-Anlagen zu kämpfen. Zudem sorgte im
Frühjahr 2023 der Hackerangriff für erhebliche Probleme und ließ die Geschäfte
stocken, sodass das Management noch unter Lanthalers Führung im Sommer die
Jahresziele kappen musste.

Letztlich kletterte in den zwölf Berichtsmonaten der Umsatz zwar um vier
Prozent auf 781,4 Millionen Euro; das um Einmaleffekte der Cyberattacke
bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (bereinigtes Ebitda)
sank jedoch auf 66,4 Millionen Euro nach 101,7 Millionen Euro im Vorjahr. Damit
fiel der operative Gewinn noch schlechter aus als von Analysten befürchtet. Im
Zusammenhang mit der Erholung von der Cyberattacke fielen Einmaleffekte von 15,9
Millionen Euro an.

Konkret soll die geplante Restrukturierung nun einen jährlichen Beitrag zum
bereinigten Ebitda von mehr als 40 Millionen Euro bringen. Nach dem deutlichen
Rückgang im vergangenen Jahr soll diese Kennziffer 2024 insgesamt wieder im
zweistelligen Prozentbereich wachsen, im selben Maß soll auch der Umsatz in
diesem Jahr zulegen. Die Ausgaben für hauseigene Forschungs- und
Entwicklungsprojekte sollen dagegen 2024 im mittleren einstelligen bis niedrigen
zweistelligen Prozentbereich sinken.

Damit dürften der Erlös und das operative Ergebnis in diesem Jahr allerdings
deutlich unter den Markterwartungen landen, schrieb Analyst Charles Weston von
der kanadischen Investmentbank RBC. Der Ausblick des Konzerns sei somit deutlich
vorsichtiger geworden. Zudem stehe hinter dem mittelfristigen Ausblick ein
Fragezeichen, denn Evotec kündigte zur Wochenmitte deren eine Aktualisierung zur
nächsten Halbjahresbilanz an.

Die Mittelfristziele sollen zusammen mit dem neuen Konzernchef Christian
Wojczewski abgeklopft werden, der den Konzern wieder in ruhigeres Fahrwasser
führen soll. Seinen Amtsantritt zum 1. Juli hatte Evotec erst am Vorabend
verkündet. Bis dahin führt Mario Polywka die Geschäfte beim Konzern weiter
interimistisch. Der neue Chef ist den Angaben zufolge studierter Chemiker mit
über 20 Jahren Erfahrung in unterschiedlichen Führungspositionen, zuletzt als
Chef bei Mediq und Linde Healthcare.

Der neue Vorstandschef sei ein positiver Aspekt, aber die Unsicherheit mit
Blick auf die Gewinnentwicklung in den Jahren 2024 und 2025 überschatte dies,
gab sich Analyst Benjamin Jackson vom Investmenthaus Jefferies zurückhaltend.
Die Marktschätzungen seien bislang deutlich zu optimistisch gewesen.

Der Wechsel an der Unternehmensspitze war nötig geworden, nachdem der
langjährige Konzernlenker Lanthaler Anfang 2024 überraschend das Handtuch
geworfen hatte. Das hatte am Markt panikartige Aktienverkäufe ausgelöst, von
denen sich das Papier bislang nicht erholt hat. Seit Jahresbeginn beläuft sich
der Kursverlust inzwischen auf mehr als 40 Prozent.

Lanthaler hatte offiziell seinen Schritt mit einem "extrem herausfordernden
und sowohl körperlich als auch insgesamt erschöpfenden Jahr 2023" erklärt, doch
am Markt wurden bald auch andere Gründe vermutet. So hatte der Manager
Aktiengeschäfte aus den Jahren 2021 und 2022 erst mit erheblicher zeitlicher
Verspätung nachgemeldet, was Presseberichten zufolge auch die
Finanzmarktaufsicht Bafin wegen eines möglichen Verstoßes gegen Meldepflichten
auf den Plan rief. Zudem waren einige der millionenschweren Geschäfte den Daten
zufolge rund um wichtige Unternehmenstermine getätigt worden, was am Markt zu
Spekulationen über möglichen Insiderhandel führte.

Ein Bafin-Sprecher wollte sich auf Anfrage von dpa-AFX am Dienstag nicht zu
etwaigen Untersuchungen äußern, er verwies in diesem Zusammenhang auf
Verschwiegenheitspflichten der Behörde. Auch ein Evotec-Sprecher lehnte einen
Kommentar ab./tav/nas/mis

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