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dpa-AFX: ROUNDUP 2: Evotec verschreckt mit vorsichtigem Ausblick - Neuausrichtung geplant

(neu: Aussagen aus der Pressekonferenz, operativer Verlust, Kursteile
aktualisiert)

HAMBURG (dpa-AFX) - Der Hamburger Pharmawirkstoffforscher und -entwickler
Evotec reagiert auf ein schwieriges Marktumfeld mit einer
Neuausrichtung. Nach dem überraschenden Abgang des Vorstandschefs Werner
Lahntaler zu Jahresbeginn soll der Fokus so wieder auf nachhaltig profitables
Wachstum gerichtet werden. Richten soll es der neue Konzernchef Christian
Wojczewski, der allerdings erst zu Beginn der zweiten Jahreshälfte antreten
wird. Im vergangenen Jahr hatte der Konzern zudem kräftige Blessuren durch eine
Cyberattacke davongetragen.

An der Börse verschreckte der unsichere Geschäftsausblick am Mittwoch die
Anleger. Der Aktienkurs brach zeitweise um mehr als ein Drittel auf den tiefsten
Stand seit 2017 ein. Am Nachmittag waren die Papiere mit einem Minus von fast 33
Prozent auf 9,56 Euro abgeschlagenes Schlusslicht im Index der mittelgroßen
Werte, dem MDax . 2024 steht nun ein Kursrückgang um gut 55
Prozent auf dem Zettel.

Evotec plant bisher nicht näher genannte Anpassungen in der Größe und bei
den Standorten. So will der Konzern künftig weniger Geld in die eigene Forschung
stecken und sich stattdessen noch stärker auf Schlüsselkompetenzen wie etwa das
Biologika-Geschäft konzentrieren.

Evotec sprach in seiner Mitteilung zur Wochenmitte von einem
"herausfordernden Umfeld" und einer "sich verändernden Marktnachfrage". Dieses
habe sich insbesondere im umsatzschwachen vierten Quartal gezeigt, sagte
Finanzchefin Laetitia Rouxel in einer Online-Pressekonferenz. Damit werde auch
Evotec von dem zunehmenden Kostenbewusstsein der Kunden und der allgemeinen
Marktschwäche im Biotechnologiesektor getroffen, die sich laut dem Management
noch einige Quartale hinziehen dürfte.

Das für die Geschäftsentwicklung zuständige Vorstandsmitglied Matthias Evers
strich vor diesem Hintergrund die weiterhin großen Marktchancen für Evotec
heraus. Diese sollten durch die stärkere Fokussierung auf die Kernkompetenzen
des Konzerns künftig gehoben werden. Es werde aber einige Monate dauern, um
wieder zur alten Wachstumsdynamik zurückzukehren, betonte der Manager. Die
Nachfrage insbesondere nach Evotecs wichtigsten Produkten sei aber weiterhin
hoch.

In der jüngeren Vergangenheit hatte Evotec unter anderem mit hohen Kosten
für den Aufbau zweier neuer Biologika-Anlagen der Tochter Just Evotec Biologics
zu kämpfen. Zudem sorgte im Frühjahr 2023 ein Hackerangriff für erhebliche
Probleme und ließ die Geschäfte stocken, sodass das Management noch unter
Lanthalers Führung im Sommer die Jahresziele kappen musste.

Letztlich kletterte in den zwölf Berichtsmonaten der Umsatz zwar um vier
Prozent auf 781,4 Millionen Euro. Jedoch fiel ein Betriebsverlust von 47,5
Millionen Euro nach einem Plus von fast 21 Millionen Euro im Vorjahr an. Das um
Einmaleffekte der Cyberattacke bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und
Abschreibungen (bereinigtes Ebitda) sank ebenfalls deutlich und fiel noch
schlechter aus als von Analysten befürchtet. Im Zusammenhang mit der Erholung
von der Cyberattacke fielen Einmaleffekte von 15,9 Millionen Euro an.

Konkret soll die geplante Restrukturierung nun einen jährlichen Beitrag zum
bereinigten Ebitda von mehr als 40 Millionen Euro bringen. Nach dem deutlichen
Rückgang im vergangenen Jahr soll diese Kennziffer 2024 insgesamt wieder im
zweistelligen Prozentbereich wachsen, im selben Maß soll auch der Umsatz in
diesem Jahr zulegen. Die Ausgaben für hauseigene Forschungs- und
Entwicklungsprojekte sollen dagegen 2024 im mittleren einstelligen bis niedrigen
zweistelligen Prozentbereich sinken.

Damit dürften der Erlös und das operative Ergebnis in diesem Jahr allerdings
deutlich unter den Markterwartungen landen, schrieb Analyst Charles Weston von
der kanadischen Investmentbank RBC. Der Ausblick des Konzerns sei somit deutlich
vorsichtiger geworden. Zudem stehe hinter dem mittelfristigen Ausblick ein
Fragezeichen, denn Evotec kündigte zur Wochenmitte dessen Aktualisierung zur
nächsten Halbjahresbilanz an.

Die Mittelfristziele sollen zusammen mit dem neuen Konzernchef Christian
Wojczewski abgeklopft werden, der den Konzern wieder in ruhigeres Fahrwasser
führen soll. Seinen Amtsantritt zum 1. Juli hatte Evotec erst am Vorabend
verkündet. Bis dahin führt Mario Polywka die Geschäfte beim Konzern weiter
interimistisch.

Der neue Vorstandschef sei ein positiver Aspekt, aber die Unsicherheit mit
Blick auf die Gewinnentwicklung in den Jahren 2024 und 2025 überschatte dies,
gab sich Analyst Benjamin Jackson vom Investmenthaus Jefferies zurückhaltend.
Die Marktschätzungen seien bislang deutlich zu optimistisch gewesen.

Der Wechsel an der Unternehmensspitze war nötig geworden, nachdem der
langjährige Konzernlenker Lanthaler Anfang 2024 überraschend das Handtuch
geworfen hatte. Das hatte am Markt panikartige Aktienverkäufe ausgelöst, von
denen sich das Papier bis zur Zahlenpräsentation nicht erholt hatte.

Lanthaler hatte offiziell seinen Schritt mit einem "extrem herausfordernden
und sowohl körperlich als auch insgesamt erschöpfenden Jahr 2023" erklärt, doch
am Markt wurden bald auch andere Gründe vermutet. So hatte der Manager
Aktiengeschäfte aus den Jahren 2021 und 2022 erst mit erheblicher zeitlicher
Verspätung nachgemeldet, was Presseberichten zufolge auch die
Finanzmarktaufsicht Bafin wegen eines möglichen Verstoßes gegen Meldepflichten
auf den Plan rief. Zudem waren wohl einige der millionenschweren Geschäfte rund
um wichtige Unternehmenstermine getätigt worden, was am Markt zu Spekulationen
über möglichen Insiderhandel führte.

Ein Bafin-Sprecher wollte sich auf Anfrage von dpa-AFX am Dienstag nicht zu
etwaigen Untersuchungen äußern. Er verwies in diesem Zusammenhang auf
Verschwiegenheitspflichten der Behörde./tav/gl/he

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